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Für Tourismus- und Veranstaltungsunternehmen ist es aktuell keine leichte Zeit. Von jetzt auf gleich sind ihnen nahezu jegliche Umsätze weggebrochen. Dagegen aktiviert man Einsparmaßnahmen, sowie Kurzarbeit. Doch reicht das um die Krise zu überwinden? Einer der Konzerne den es am stärksten getroffen hat, ist der größte Tourismuskonzern Europas: TUI. Die TUI Aktie verlor im Zuge der Pandemie über 70 % ihres Wertes. Das Unternehmen beantragte bereits Staatshilfe. Doch um den Konzern stand es vor kurzen noch sehr gut. Der stärkste Konkurrent, Thomas Cook, ging Pleite und im Januar verbuchte man einen neuen Rekordmonat. Nur zwei Monate darauf bricht das komplette Geschäftsmodell unverschuldet zusammen. In vielen Medien ist bereits von einer TUI Pleite bzw. einem zweiten Thomas Cook die Rede. Doch wie absurd diese Behauptung ist, im Folgenden.
Inhaltsverzeichnis
Thomas Cook Vergleich absurd
Der Vergleich mit Thomas Cook drängt sich und in vielen Medien wird davon gesprochen, dass die Parallelen in der derzeitigen Lage unbestreitbar sind. Doch das ist falsch. Die Insolvenz von Thomas Cook kam nicht unerwartet, sie kündigte sich über Jahre hinweg an. Denn was war los bei den ehemalig zweitgrößten Reiseanbieter?
- Er war enorm mit Schulden belastet und hatte 2018 nur noch eine mickrige Eigenkapitalquote von rund 4 Prozent.
- Seit 2012 bis 2018 gab es nur drei Jahre in denen der Konzern einen Mini-Gewinn auswies. In den anderen waren es immer Verluste.
- In den Jahren (außer 2015) schüttete man den Mini-Gewinn auch noch als Dividende aus. Rücklagen wurden keine gebildet.
- Der etwas größere Verlust 2018 brachte das Fass schlussendlich zum überlaufen. Thomas Cook ging insolvent.
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Medien dagegen machten daraus eine aufregende Story, obwohl der Konzern klar operativen Fehlern erlag und das nicht über einen kleinen Zeitraum sondern über das komplette letzte Jahrzehnt! Hier mit der aktuellen Situation von TUI einen Vergleich zu ziehen ist absurd und völlig lächerlich. Denn bei TUI sieht die Lage wie folgt aus:
- Seit 2014 schrieb man ununterbrochen Gewinne in ordentlicher Höhe um auch Rücklagen zu bilden.
- Die Eigenkapitalquote stieg so von 2014 15 % auf nun etwa 21,7 %.
- Das Management selbst hält beachtliche Anteile am Unternehmen, die bei einer TUI Pleite wertlos wären.
- Mit Thomas Cook fiel der größte Konkurrent weg, was in einem Umsatzsprung resultieren würde. Das zeigte sich bereits im Rekordmonat Januar.

TUI Pleite – Ist es vorbei mit den Urlaub?
Wann wird das Kapital knapp?

Zu TUI gehört auch das wichtige Flugunternehmen TUIFly.
Dazu in den Quartalsbericht 2020. Zum 31.12.2019 lag die Nettoverschuldung, also freie liquide Mittel, ungenutzte Kreditlinien, veräußerbare Wertpapiere usw., bei Minus 5.072,2 Millionen Euro. Man hat also einen Spielraum von 5 Milliarden Euro. Es ist schwierig abzuschätzen wie hoch die Kosten sein werden. Denn eine vergleichbare Situation bei der Umsätze komplett wegbrachen gab es nie. Zum Vergleich kann man das Jahr heranziehen, bei dem die Reisestimmung auf einem absoluten Tief angekommen sind: 2009. Nimmt man nun die damals eingebrochenen Umsätze und zieht den Gewinn davon ab, ergibt sich in etwa wie hoch die Kosten damals waren. Diese lagen bei 12,77 Milliarden Euro. Unterstellt man nun, dass (konservativ)15 % davon wegen Kurzarbeitsregelungen oder Aufhebungsverträgen und 250 Mio. Euro (Q1 2020 Investitionssumme auf 4 Quartale hochgerechnet) wegen nicht getätigter Investitionen eingespart werden können, kommt man auf Kosten von rund 10,6 Milliarden Euro. Der nicht-Betrieb von Flugzeugen, Schiffen, Hotels, usw. ist schwierig zu beziffern, aber aufgrund des nicht oder wenig benötigten Treibstoffs, Services, Reinigungen und Verpflegung sich auf mindestens 2,5 Milliarden belaufen.
So ergeben sich theoretisch etwa 8,1 Milliarden Euro an jährlichen Kosten in einem schwachen Jahr, wenn man die Kapazitäten herunter fährt.
Mit den 5 Milliarden Euro würde man so rechnerisch 7 Monate ohne Einnahmen überstehen können, wobei der Januar und teilweise der Februar noch sehr gute Monate waren. So dehnt sich dieser Zeitraum weiter aus. Die Vermutung liegt daher nahe, dass TUI bis Oktober überstehen könnte. Wobei man hierbei bereits von einer enormen zusätzlichen Verschuldung sprechen könnte/wird. Zusätzlich schreibt man in den Wintermonaten meist keine guten Geschäftszahlen, was den sehr saisonalen Geschäft geschuldet ist. Fällt der August und auch September aufgrund des Virus flach, kann es zu Liquiditätsproblemen kommen und vor allem aber zu sehr starken zusätzlichen Verschuldungen. Bis dahin ist eine TUI Pleite bzw. Insolvenz sehr unwahrscheinlich. Zur Not sollten auch weitere Schulden über die negative Nettoverschuldung hinaus möglich sein.
TUI Pleite deswegen Staatshilfe?
Bei TUI steht aktuell allerdings noch nicht alles still. Man holt Unmengen an Touristen(auch von anderen Reiseanbietern) zurück nach Deutschland. Es ist nahe liegend, dass man dafür die versprochenen Staatshilfen in Anspruch nehmen will und darf. Daran hat auch der Staat größtes Interesse. So würde die Bundesregierung Rückflüge veranlassen müssen, wäre es den Reisekonzernen nicht mehr möglich. Auch deswegen hat sich der niedersächsische Ministerpräsident der SPD Stephan Weil für eine staatliche Unterstützung von TUI ausgesprochen. Da es sicherlich um eine größere Kreditlinie handeln wird, werden die Gespräche wohl noch etwas andauern. Die Hilfe selbst ist aber sehr wahrscheinlich, wenn man die Summe der Mitarbeiter betrachtet: 71.000. Um diese Zahl zu verdeutlichen, Thomas Cook hatte nur etwa ein Drittel mit 21.000. Zusätzlich die Unmengen an Dienstleistern, die der Konzern beschäftigt. TUI wird man helfen und das mit größten Vergnügen. Eine Insolvenz hätte gigantische Folgen für den deutschen, als auch europäischen Tourismus und vor allem auch Arbeitsmarkt. Auch von anderen Seiten hat man “Großkonzernen” bereits Hilfen zugesagt. Wen würde man also helfen, wenn nicht den größten Tourismuskonzern, der eigentlich kerngesund, zumindest vor der Krise, war?
UPDATE zum 17.4.2020: TUI hat wie vermutet eine Staatshilfe in Höhe von 1,8 Milliarden Euro erhalten. Das wird TUI weitere Monate Zeit geben. Die FTI Touristik wurde kürzlich vom Ägypter Sawiris gerettet und aufgekauft. Welche Summen dabei im Spiel sind, kann man nur schätzen, da keine offiziell genannt wurden. Erweitert man nun die oben genannte Rechnung um die 1,8 Milliarden an Staatshilfe, sollte das Überleben bis November ohne operativen Geschäftsbetrieb gesichert sein. Der Nachteil beim Kredit ist allerdings, dass es innerhalb der Rückzahlungszeit ein Dividendenverbot gibt. Mit einer Dividende 2021 ist also nicht zu rechnen. Bis 2022 hingegen sollte bereits die Möglichkeit bestehen den Kredit umzuschulden.
Ebenfalls nennenswert ist, dass Reisebüros in ganz Europa Schwierigkeiten bekommen. Die Konzentration hin zu den großen Konzernen wird so nach der Krise wahrscheinlich sein. TUI wird jahrelang eine höhere Schuldenbelastung begleiten, doch Rekordumsätze werden diese kompensieren. Der größte Konkurrent Thomas Cook schied bereits 2019 dahin, aktuell sind es viele kleinere Unternehmen. In dem Falle, dass man die Krise mithilfe der Staatshilfe und neuer Schuldenaufnahme übersteht könnte TUI langfristig tatsächlich ein Profiteur der Pandemie sein. Eine TUI Pleite ist scheinbar vom Tisch. Die Bundesregierung wird im Fall der Fälle auch nachschießen, denn die Vorwürfe 1,8 Milliarden an Steuergeldern verschwendet zu haben, wäre ebenfalls untragbar. Ebenso hängen TUI zehntausende Arbeitsplätze und weitere tausende bei den Partnerfirmen.
Beeinflusst von der 737 Max und nun der Pandemie befindet sich die TUI Aktie unter den Niveau der Finanzkrise. Dieses Niveau ist meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt. TUI ist ein Unternehmen, welches leidet an Punkten, die nicht beeinflusst werden konnten. Aktuell ist TUI kerngesund. Fraglich ist es allerdings ob es dabei bleibt, sollte es weiterhin monatelange Reisesperren geben. Eine TUI Pleite halte ich in der aktuellen Situation allerdings für ausgeschlossen und absurd.
Der Verfasser hält genannte Anlageprodukte.